Wir respektieren Ihre Privatsphäre

Wir und bestimmte Dritte verwenden Cookies. Einzelheiten zu den Arten von Cookies,ihrem Zweck und den beteiligten Stellen finden Sie unten und in unserem Cookie Hinweis. Bitte willigen Sie in die Verwendung von Cookies ein, wie in unserem Cookie Hinweis beschrieben, indem Sie auf "Alle erlauben" klicken, um die bestmögliche Nutzererfahrung auf unseren Webseiten zu haben. Sie können auch Ihre bevorzugten Einstellungen vornehmen oder Cookies ablehnen (mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Cookies). Cookie Hinweis und weitere Informationen
veröffentlicht am 07.05.2020

Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters: Worauf gilt es zu achten?

Unternehmerisches Risiko einzugehen sowie Chancen zu nutzen, die sich einem bieten, zählen zu den elementaren Merkmalen eines Unternehmers. Mut und Entschlossenheit, aber auch Wagnisse bilden den Kern jedes Handelns. Doch nicht immer treten die damit verbundenen Prognosen ein, sei es aufgrund der Konkurrenzsituation, aufgrund fehlgeleiteter Annahmen oder einer unzureichenden Finanzierung. Das Insolvenzverfahren ist dann eine Möglichkeit, um die Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen – zunächst aber immer auch die Folge der engen gesetzlichen Regelungen, die Geschäftsführer berücksichtigen müssen.

Der Insolvenzverwalter, der nun im eröffneten Insolvenzverfahren die Geschicke des Unternehmens leitet, hat gemäß § 103 InsO ein sogenanntes Wahlrecht. Hier geht es um die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung von Verträgen, die bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden.

HÄMMERLE steigt tiefer in das Thema ein und erläutert, worum es im Detail geht und welche praktische Relevanz sich daraus ergibt.

 

Verträge erfüllen oder nicht? Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters in der Praxis

Immer dann, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss, gibt es typischerweise eine Reihe von Verträgen, die davon berührt werden. Wenn es um nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge geht oder aber sog. Dauerschuldverhältnisse, hat der Insolvenzverwalter nach §§ 103-109 InsO ein Wahlrecht. Konkret bedeutet das:

  • Der Insolvenzverwalter kann entscheiden, ob er einen nicht bzw. nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag erfüllt oder nicht. Entweder bleibt es bei der Nichterfüllung, die durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben ist – oder der Vertrag wird durch den Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners erfüllt.
  • Von einem gegenseitigen Vertrag nach den Grundsätzen des § 103 InsO ist dann auszugehen, wenn die Leistungen, die beide Seiten vereinbart haben, noch nicht in vollem Maße ausgetauscht wurden.

Wichtig: Der Insolvenzverwalter hat sowohl ein Interesse als auch eine gesetzliche Pflicht, stets jene Entscheidungen zu treffen, die vorteilhaft in Bezug auf die Insolvenzmasse sind. In der Praxis führt das dazu, dass zwischen wirtschaftlichen Erwägungen abgewogen wird. Verträge, die besonders vorteilhaft für das insolvente Unternehmen sind, werden also mit Sicherheit erfüllt. Andere, vor allem schlecht kalkulierte oder eher riskante Geschäfte, lassen sich hingegen mit dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters „beseitigen“.

 

Welche Art von Verträgen sind vom Wahlrecht des Insolvenzverwalters betroffen?

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, meist aber schon im Vorfeld des Insolvenzantrags, wird versucht innerhalb der gesetzlichen Regeln zu agieren und eine vorteilhafte Situation zu schaffen. Nicht selten sind einige wenige Akteure entscheidend am Erfolg oder Misserfolg der Sanierung beteiligt, etwa Banken oder Leasinggesellschaften. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ist damit ein Instrument, eine für die Gläubiger bzw. die Insolvenzmasse vorteilhafte Entscheidung zu treffen. Nur gegenseitige Verträge fallen darunter, nicht etwa einseitige Verträge wie Schenkungen, Bürgschaften o.ä.

Zwei wichtige Aspekte müssen hier berücksichtigt werden:

  1. Sofern der Insolvenzverwalter von seinem Wahlrecht Gebrauch macht und die Erfüllung fordert, hat dies zur Folge, dass die damit begründeten gegenseitigen Ansprüche nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Masseforderungen werden. Es kann aber kein „Cherry-Picking“ vorgenommen werden, der Vertrag muss also mit allen juristischen sowie wirtschaftlichen Folgen erfüllt werden.
  2. In dem Fall, wo der Insolvenzverwalter explizit im Sinne des Wahlrechts eine Nicht-Erfüllung des Vertrages wählt, bleibt der Vertrag in der so abgeschlossenen Form bestehen. Im Resultat bedeutet das, dass der Vertragspartner, der bereits geleistet hat, dieses nicht zurückverlangen kann. Allerdings kann ein sog. Nichterfüllungsschaden geltend gemacht werden, welcher nach § 103 Abs. 2 S. 1 InsO entsprechend zur Insolvenztabelle anzumelden ist. Erfüllungsansprüche bleiben also bestehen und unterliegen weiterhin den klassischen Verjährungsfristen.

Wichtig: Gerade im unmittelbaren Zusammenhang mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herrscht oftmals Unsicherheit darüber, ob und in welcher Form Geschäfte fortgeführt werden oder nicht. Sollten Sie als Dienstleister mit Ihrem Vertrag entsprechend unter die Wahlrechtmöglichkeiten des Insolvenzverwalters fallen, haben Sie demgegenüber ein Auskunftsrecht. Sie können den Insolvenzverwalter nach § 103 Abs. 2 S. 2 InsO dann auffordern, eine Erklärung über die Ausübung des Wahlrechts abzugeben. Dies sollte in der Regel schriftlich erfolgen.

 

Ausnahmen vom Wahlrecht des Insolvenzverwalters beachten

Es gibt gewisse Beschränkungen bzw. Ausschlüsse, die dazu führen, dass der Insolvenzverwalter praktisch kein Wahlrecht hat. Näheres ergibt sich aus den §§ 104 ff. InsO. Das gilt beispielsweise bei Fixgeschäften, deren Erfüllungspflichten mit Verfahrenseröffnung erlöschen – gleichzeitig kann nur ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden. Auch sogenannte Vormerkungen führen nicht zum Wahlrecht, da sie als „insolvenzfest“ gelten. Nach § 106 InsO ist der Insolvenzverwalter dann verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen.

Apropos: Zu den Sonderregelungen, die hier beachten werden müssen, zählen u.a. auch Miet- und Pachtverhältnisse. Nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO bestehen diese auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter – es gibt also kein Wahlrecht des Insolvenzverwalters, sehr wohl aber besondere Regelungen in Bezug auf Kündigung und Rücktritt. Das gilt jedoch nur bei unbeweglichen Gegenständen und Räumen, wohingegen Verträge über bewegliche Gegenstände klar unter § 103 InsO fallen.

 

Bildnachweis: (© leeyiutung – stock.adobe.com)

Hier geht es zu unseren

Insolvenzauktionen

Autor: HÄMMERLE



 Zurück zur Übersicht