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veröffentlicht am 30.09.2020

Schieflage durch COVID-19? Informationen zur Insolvenzantragspflicht

Wer unsere bisherigen Beiträge zum Thema gelesen hat, weiß inzwischen, dass die Insolvenzantragspflicht nicht für „Jedermann“* ausgesetzt ist. Vielmehr kommt nur derjenige in den „Genuss“ der Ausnahmeregelung, dessen Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie in eine Schieflage geraten ist und für das Aussicht auf Besserung besteht.

Auch bezüglich dieser Voraussetzung hat der Gesetzgeber sich – gewohnt – verklausuliert ausgedrückt, indem er die Insolvenzantragspflicht dann nicht aussetzt, „[...] wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“ (§ 1 S.1 COVInsAG). Soll heißen, bestehen (begründete) Aussichten auf Besserung, so muss kein Antrag gestellt werden. Sieht der Unternehmer kein Licht am Ende des Tunnels, so muss er unverzüglich, also innerhalb von drei Wochen (§15a InsO) den Antrag stellen. Letzterer kann folglich nicht von der Befreiung der Antragspflicht profitieren.

 

Praxishinweis:

Dies bedeutet, dass der Unternehmer über eine Finanzplanung verfügen muss, aus der sich der Silberstreif am Horizont auch tatsächlich ergibt.

Hinsichtlich dieser Voraussetzung werden wohl keine überspannten Anforderungen an die Unternehmer zu stellen sein, schließlich kann keiner – noch nicht einmal der beste Unternehmer (oder Richter) – in die Zukunft gucken. Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen, weshalb er auch hierfür eine Vermutungsregelung eingeführt hat: Bei denjenigen Unternehmen, die zum 31.12.2019 gesund waren, sprich eine positive Bilanz aufweisen können, wird unterstellt, dass die Zahlungsunfähigkeit nur vorübergehend ist und somit eine Aussicht auf Besserung (by default) besteht (§ 1 S.2 COVInsAG).

 

Aber Achtung: Dies ist eine Vermutungsregelung, die widerlegbar ist!

Gerade die Branchen, die besonders hart von der COVID-19-Pandemie betroffen sind, müssen sich hier kritisch selbst befragen, ob die Aussicht auf eine realistische Besserung der eigenen Wirtschaftslage besteht. Bei den meisten Einzelhandelsunternehmen und Gastronomen wird man dies wohl grundsätzlich mehr oder weniger bejahen können. Aber bspw. eine Eventagentur oder ein Veranstaltungstechniker, die sich auf Großveranstaltungen spezialisiert haben, und bei denen eine Rückkehr zur „Normalität“ aktuell nicht absehbar ist, werden derzeit nur schwer Aussichten auf Besserung angenommen werden können.

 

Aufgrund der vom Gesetzgeber vorgegebenen Corona-Kausalität empfiehlt es sich daher, bereits seit Anbeginn der Pandemie bzw. seit den merklichen Auswirkungen auf das Unternehmen die Veränderungen möglichst lückenlos zu dokumentieren. Diese zu dokumentierenden Veränderungen können beispielsweise sinkende und im schlimmsten Fall komplett eingebrochene Umsatzzahlen sein, Auftragsstornierungen, Lieferunterbrechungen, behördlich angeordnete Betriebsschließungen oder Quarantänemaßnahmen, Reiseverbote für internationale Geschäftsreisen, Einschränkungen im Vertrieb usw.** Dies erfordert insbesondere in der unternehmerischen Buchhaltung eine verschärfende Sensibilisierung auf jedwede Veränderung im alltäglichen Geschäftsverkehr.

 

Bei fehlender Dokumentation und nicht vorhandener Nachweise der Corona-Kausalität geht insbesondere der Geschäftsführer ein hohes Haftungsrisiko ein, nämlich dann, wenn es zu einem Insolvenzverfahren kommt, in dem der zuständige Insolvenzverwalter sich den Tatbestand der möglichen Insolvenzverschleppung mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr genau anschauen wird.

 

Aber nicht nur die negativen Beeinflussungen sollten seitens des Unternehmers dokumentiert werden. Ebenso ist zwingend darauf zu achten, dass auch die Voraussetzung der „Aussicht auf Besserung“ nachweisbar ist. So sollten neben einer permanenten Liquiditätsplanung auch Auftragsanfragen, Vertragsentwürfe und vor allem sämtliche Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten betreffend Auftragserteilungen, Ankündigungen sowie behördliche Schreiben (z.B. Stundungen der Finanzbehörden) vollumfänglich hinterlegt werden.

 

Über die Autoren

Mirijam Steinfeld (Mag. iur., CFE) ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Strafrecht und Lehrbeauftragte für Strafrecht an der Hochschule RheinMain. Sie führt die auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Kanzlei Steinfeld Recht in Frankfurt am Main. Sie hat zahlreiche Unternehmer in Insolvenzstrafverfahren vertreten oder berät diese bevor es zu der Einleitung eines solchen Verfahrens kommt. Sie ist zudem Herausgeberbeirätin der interdisziplinäre Fachpublikation Recht innovativ (Ri). 

Claudia Otto ist Rechtsanwältin und Gründerin der Kanzlei COT Legal in Frankfurt am Main. Sie berät zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung, u.a. der digitalen Transformation. Hierdurch kennt sie die Chancen und Risiken des Einsatzes technischer Hilfsmittel im Rahmen großer Umstrukturierungsprojekte aus mehrjähriger Beratungstätigkeit. Um Wissen zur Vereinbarkeit von Recht und Technologie breit verfügbar zu machen, hat sie im April 2017 die interdisziplinäre Fachpublikation Recht innovativ (Ri) gegründet.“

André Beck ist Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) und war viele Jahre in der Insolvenzverwaltung und Restrukturierungsbranche tätig. Seit 2015 ist er Niederlassungsleiter für Berlin und die Region Ostdeutschland bei der HÄMMERLE GmbH & Co. KG, einem der bundesweit führenden Spezialisten für zuverlässige Bewertungen und weltweite Vermarktungen beweglichen Betriebsvermögens jeder Art.

 

Weitere Hinweise:

Wer jetzt erst in diese kleine Serie eingestiegen ist, der sei auf Hauptbeitrag sowie den ersten und zweiten Folgebeitrag hingewiesen.

 

* Unabhängig von der konkreten Formulierung sind stets alle Geschlechter gemeint.

**Aufzählung ist nicht abschließend.

 

Bildnachweis: (©  natali_mis - stock.adobe.com)



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