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veröffentlicht am 04.09.2020

Insolvenzantragspflicht: Wann müssen Unternehmer handeln?

Grundsätzlich ist jeder Unternehmer – nicht nur in Corona-Zeiten – verpflichtet stets und ständig einen fundierten Überblick über sein Unternehmen zu haben. Das Gesetz nennt dies die Pflicht die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes/-leiters“ (§ 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG). Hinsichtlich der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht bedeutet dies, dass der Unternehmer wissen muss, ob die Schieflage des Unternehmens Corona-bedingt ist oder nicht.

Antragspflicht oder nicht nach dem COVInsAG:

Der Gesetzgeber hat nämlich, wenn auch sprachlich mit der Kirche ums Dorf, bestimmt, dass die Aussetzung der Antragspflicht nicht gilt, „wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht“.

In ein verständliches Deutsch übersetzt heißt dies: ist die Insolvenzreife Corona-bedingt, so greift die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der Unternehmer* muss grundsätzlich bis zum 30.09.2020** keinen Insolvenzantrag stellen. Hat dagegen die Insolvenzreife einen anderen Grund, so besteht die Insolvenzantragspflicht fort und der Unternehmer muss unverzüglich (§15a InsO) den Antrag stellen.

 

Praxishinweis:

Folglich muss der Unternehmer kritisch prüfen was die Ursache der Schieflage im eigenen Haus ist, bevor er hieraus weitere Schritte ableiten kann.

 

Eine derartige Prüfung könnte wie folgt aussehen:

Antragspflicht oder nicht nach dem COVInsAG Grafik

Quelle/Urheber: Mirjam H. Steinfeld

 

In den Augen der meisten Geschäftsführer steht das „eigene Unternehmen natürlich meistens gut und solide da, auch wenn es an den ein oder anderen Stellen etwas knarzt.“ Aber gerade in diesen Zeiten, wo Lieferketten (kurzzeitig) unterbrochen wurden oder Zahlungen ausbleiben oder kulanterweise gestundet werden, ist ein kritischer Blick in die Bücher unabdingbar. Kann der Unternehmer auf Rücklagen zurückgreifen, ist das im ersten Moment selbstverständlich gut, kann aber im schlimmsten Fall zu einer Aufzehrung des Eigenkapitals führen und somit zu einer drastischen Reduzierung etwaiger Sanierungschancen des Unternehmens. Was in einem Unternehmen an Vermögen und Werten steckt, können weder die hausinterne Buchhaltung noch die Unternehmer selbst genau sagen. Hier bedarf es stets professioneller Unterstützung durch Unternehmens- und Rechtsberater. Holt man sich rechtzeitig solch einen Support ins Haus, entgeht man in der Regel auch etwaigen späteren Haftungsrisiken.

 

Den Überblick über das eigene Unternehmen zu haben, fällt manchmal schon im täglichen operativen Geschäft nicht leicht. Vermögenswerte, die im Unternehmen stecken (können), sind oftmals nicht auf den ersten Blick sofort erkennbar. Daher bedarf es einer Sensibilisierung, wo überall Werte vorhanden sind, wie zum Beispiel***:

  • mobiles Anlage- und Vorratsvermögen (Maschinen, Fuhrpark, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Warenbestände und Materialvorräte usw.)
  • immaterielles Vermögen (Patente, Lizenzen, Nutzungsrechte, Marken, Mitarbeiter-Knowhow)
  • Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
  • Darlehensrückforderungen und -sicherheiten
  • sonstige Rechtsansprüche

 

Im Gegensatz dazu ist ein detaillierter Blick auf die Passiva*** unabdingbar:

  • Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen unter Berücksichtigung von Fremd- und Drittrechten
  • Darlehen unter Berücksichtigung von Sicherheiten
  • Beteiligungen und hieraus resultierende Ansprüche
  • Rechtsstreitigkeiten

 

Man sieht, eine eigene Unternehmensanalyse ist keine dumme Idee und schafft Klarheit über den aktuellen wirtschaftlichen Zustand.

 

Über die Autoren

Mirjam Hannah Steinfeld (Mag. iur., CFE) ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Strafrecht und Lehrbeauftragte für Strafrecht an der Hochschule RheinMain. Sie führt die auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Kanzlei Steinfeld Recht in Frankfurt am Main. Sie hat zahlreiche Unternehmer in Insolvenzstrafverfahren vertreten oder berät diese bevor es zu der Einleitung eines solchen Verfahrens kommt. Sie ist zudem Herausgeberbeirätin der interdisziplinäre Fachpublikation Recht innovativ (Ri). 

Claudia Otto ist Rechtsanwältin und Gründerin der Kanzlei COT Legal in Frankfurt am Main. Sie berät zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung, u.a. der digitalen Transformation. Hierdurch kennt sie die Chancen und Risiken des Einsatzes technischer Hilfsmittel im Rahmen großer Umstrukturierungsprojekte aus mehrjähriger Beratungstätigkeit. Um Wissen zur Vereinbarkeit von Recht und Technologie breit verfügbar zu machen, hat sie im April 2017 die interdisziplinäre Fachpublikation Recht innovativ (Ri) gegründet.“

André Beck ist Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) und war viele Jahre in der Insolvenzverwaltung und Restrukturierungsbranche tätig. Seit 2015 ist er Niederlassungsleiter für Berlin und die Region Ostdeutschland bei der HÄMMERLE GmbH & Co. KG, einem der bundesweit führenden Spezialisten für zuverlässige Bewertungen und weltweite Vermarktungen beweglichen Betriebsvermögens jeder Art.

 

Weitere Hinweise:

Wer mehr zu dem Thema erfahren möchte, der sei auf Haupt- und Folgebeitrag zum ersten Irrtum über das COVInsAG oder diesen Artikel zur Auslegung des COVInsAG hingewiesen.

*         Unabhängig von der konkreten Formulierung sind stets alle Geschlechter gemeint.

**        Am 02.09.2020 wurde die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (für den Grund der Überschuldung) bis zum 31.12.2020 beschlossen.

***Aufzählung ist beispielhaft und nicht abschließend

 

Bildnachweis: (©  vittaliya - stock.adobe.com)



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