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veröffentlicht am 24.03.2020

„Legal Tech“ in einer sich ändernden Welt

Die Digitalisierung betrifft alle Branchen und Anbieter von Leistungen. Gerade in Zeiten des notwendigen Abstandhaltens kann die „digital readiness“ über die Existenz eines Unternehmens entscheiden. Doch was ist bei Digitalisierungsvorhaben zu beachten – und überhaupt – was ist eigentlich „Legal Tech“?

 

Was ist „Legal Tech“?

Das Landgericht Köln hat in seiner als „Smartlaw“-Urteil bekannten Entscheidung vom 8. Oktober 2019 den Begriff „Legal Tech“ definiert als [juristische] Dienstleistung, die unter Einsatz vollständig automatisierter Systeme erfolgt (LG Köln, Urteil vom 8. Oktober 2019, Az. 33 O 35/19). Diese Definition ist interessant, allerdings nicht zukunftstauglich. Zum einen steht sie mit stark divergierenden Wahrnehmungen von „Legal Tech“ im Konflikt, die vor allem auf den Mangel einer einheitlichen Begriffsverwendung, einen Hype und überzeichnetes Marketing zurückzuführen ist. Zum anderen werden Rechtsdienstleistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) und „Legal Tech“ gleichgesetzt: „Legal Tech“ als Dienstleistung – notwendigerweise mit rechtlichem Bezug – wäre damit auf den ersten Blick eine Rechtsdienstleistung. „Legal Tech“ würde hier schnell zum zweckdienlichen Zirkelschluss und könnte einer sachgerechten Einzelfallbetrachtung unter Umständen im Wege stehen. Eine solche Definition könnte auch kontraproduktiv für den Zugang zum Recht sein, denn eine Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG ist Nichtanwälten zunächst verboten und steht unter Erlaubnisvorbehalt. Darüber hinaus ist unklar, ob Rechts-Dienstleistungen, die nur teilweise automatisiert sind, als Rechtsdienstleistung und „Legal Tech“ ausscheiden. Schwer beschreibbare, weil diffuse Trendbegriffe wie „Legal Tech“ eignen sich aufgrund der immanenten Unklarheit nicht als Definition für die Rechtsanwendung. Einzelfallgerecht bleibt allein die Prüfung des konkreten Lebenssachverhalts.
 
„Legal Tech“ war, ist und bleibt ein Sammelbegriff für alle technologiebasierten Lösungen für Probleme mit Rechtsrelevanz (Otto, Ri 2017, 5 (13)). Ein Becherwort (Otto, Ri 2018, 143), das jeder Empfänger mit persönlichen Eindrücken und Inhalten füllt. Technisch betrachtet, handelt es sich bei „Legal Tech“ zumeist nur um eine angepasste, aus anderen Branchen übernommene digitale Lösung.
 
Die Digitalisierung betrifft alle Branchen und Anbieter von Leistungen. Gerade in Zeiten des notwendigen Abstandhaltens kann die „digital readiness“ über die Existenz eines Unternehmens entscheiden. Doch auch die achtlose Implementierung von digitalen Prozessen bzw. Datenverarbeitungen kann ein Unternehmen gefährden.

 

Die eigene Verantwortlichkeit kann nicht auf den Computer übertragen werden

Gesetze sind grundsätzlich technologieneutral. Dies ist erforderlich, um eine breite Beachtung von Regeln sicherzustellen und Umgehungen durch den Einsatz eines abweichenden technischen Verfahrens zu verhindern. Der Gesetzgeber käme mit der Schaffung neuer Gesetze nicht mehr hinterher. Bereits heute wird beklagt, dass der Gesetzgeber dem technischen Fortschritt hinterherhinkt. Doch (neue) Technologien, egal welcher Art, sind lediglich technische Hilfsmittel, derer sich Menschen bedienen, um eine (Rechtsdienst-)Leistung zu erbringen oder zu erhalten. Ein Computer, ob Software oder Hardware, hat keine Rechtspersönlichkeit. Er kann nicht Vertragspartner werden und haftet auch nicht für Fehler, Ausfälle und Schäden. Derjenige, der eine vermögenswerte Leistung unter Verwendung von Software anbietet, hat Interesse an einer Gegenleistung. Dementsprechend zahlt der Leistungsempfänger nicht an den Computer, sondern den (menschlichen oder durch menschliche Organe vertretenen) Anbieter. Wer aus Haftungsgesichtspunkten auf den Computer als Verantwortlichen deutet, verhält sich widersprüchlich und unterstreicht gar den Eindruck der bewussten Umgehung eines Gesetzes.

 

Digitalisierung

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wer sein Unternehmen und sein Leistungsangebot zeitgemäß digitalfit machen möchte, sollte zunächst seine Prozesse prüfen. Digitalisierung ist stets „nur“ eine Chance, besser zu werden. Um besser werden zu können, müssen aber die zu digitalisierenden Prozesse bereits gut sein. Das sind sie in der Regel nicht. Neue Software schafft in diesen Fällen mehr Probleme als Lösungen.

Computerprogramme entscheiden nicht selbständig. Sie „entscheiden“ gemäß den menschlichen Vorgaben, die im zugrundeliegenden Code verankert sind und legen die vom Menschen vorgegebenen Daten einer menschenvorgegebenen Bewertung zugrunde. Von sog. starker Künstlicher Intelligenz (KI), die in ihrer Individualität und ihren Fähigkeiten dem Menschen mindestens gleichkommt, sind wir noch weit entfernt. Menschlich vorgegebene Inhalte werden daher grundsätzlich übernommen und wiederholt, nicht jedoch als fehlerhaft erkannt und moniert.

Wichtig ist also zunächst, die eigenen, vielleicht sogar eingefahrenen Prozesse und Datenbestände zu überprüfen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und liebt jede Entlastung um aufwändiges, vertieftes Nachdenken im stressigen, informationsüberfluteten Alltag. Heuristiken, Automatismen und Gewohnheiten sind zunächst zu erkennen und zu hinterfragen. Dabei ist auch zu überprüfen, ob die vorgehaltenen Daten vor dem Zugriff Unbefugter sicher, aktuell und korrekt sind, vorgehalten werden dürfen sowie überhaupt (noch) benötigt werden. Art. 5 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) benennt die einzuhaltenden Grundsätze für die Datenverarbeitung: Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicherbegrenzung sowie Integrität und Vertraulichkeit. Für diese ist der Verantwortliche rechenschaftspflichtig, Art. 5 Abs. 2 DSGVO.

 

Die einzige Konstante ist die Veränderung

Vor Veränderung ist niemand gefeit. Kein Unternehmen. Kein Arbeitnehmer. Die vorgenannten Prozesse erfolgreich neu zu gestalten verlangt vor allem der Belegschaft viel ab: Die Angst, von Maschinen ersetzt zu werden, ist eine diffuse und doch eine ernstzunehmende Angst. Denn sie kann sich unter Umständen in der Resignation oder gar einem Arbeiten gegen die Änderungen im Unternehmen verwirklichen. Auch diese Menschen müssen mitgenommen werden. Ganzheitliches Change Management, aber auch Risk Assessment und Risk Management sind daher der wohl wichtigste Teil des Digitalisierungsprozesses – gerade in der doch etwas verstaubt anmutenden, papierlastigen Rechtsbranche oder Rechtsabteilung. Nur mit einer umfassenden und umsichtigen Herangehensweise, die ihre Zeit braucht, können Compliance (Rechtstreue) und natürlich auch die notwendige IT-Sicherheit sichergestellt werden.

Nicht zuletzt gibt es Situationen, in denen Unternehmen sich aus wirtschaftlichen, gar existenziellen Gründen verschlanken müssen. Dann kann eine technische Unterstützung bei der personellen Umstrukturierung einen weiteren wirtschaftlichen Erfolgsfaktor darstellen. Technologie macht es möglich, auch in kleinen Teams binnen kurzer Zeit sehr große Umstrukturierungsprojekte zu stemmen. Ob man diese Technologie „Legal Tech“ nennen möchte oder nicht: ausgeklügelte technische Verfahren können hocheffiziente Lösungen in wirtschaftlich angespannten Situationen bieten. Sie benötigen, vor allem vor dem Hintergrund der Verarbeitung personenbezogener Daten, den richtigen Partner.

 

Über die Autorin:

Claudia Otto ist Rechtsanwältin und Gründerin der Kanzlei COT Legal in Frankfurt am Main. Sie hat sich spezialisiert auf die Beratung zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung, u.a. der digitalen Transformation, Legal Tech, FinTech (z.B. Blockchain-Technologie) und Künstlicher Intelligenz. Hierdurch kennt sie die Chancen und Risiken des Einsatzes technischer Hilfsmittel im Rahmen großer Umstrukturierungsprojekte aus mehrjähriger Beratungstätigkeit. Um Wissen zur Vereinbarkeit von Recht und Technologie breit verfügbar zu machen, hat sie im April 2017 die interdisziplinäre Fachpublikation Recht innovativ (Ri) gegründet.“

 

 

Bildnachweis: (© fotomek - stock.adobe.com)

 

Autor: Claudia Otto



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