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published on 11.05.2020

Änderungen des Insolvenzrechts in Zeiten des Coronavirus

Die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt die Wirtschaft maßgeblich. Die bisher von der Regierung beschlossenen Hilfspakte reichen aber in vielen Fällen nicht aus oder scheitern schlichtweg an der Erfüllbarkeit der Anforderungen. Behördliche Anordnungen und gesetzliche Regelungen hätten zur Folge, dass den betroffenen Unternehmen nur noch der Schritt zum Insolvenzgericht bliebe. Dies soll durch das am 27. März 2020 verkündete Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (CoVInsAG) vermieden werden.

Wir stellen Ihnen die Änderungen im Insolvenzrecht vor.

 

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Nach § 15a InsO besteht für haftungsbeschränkte Unternehmen (AG, GmbH, UG, GmbH & Co. KG u.a.) die Verpflichtung, einen Insolvenzantrag zu stellen, sobald Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintritt. Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist strafbar und führt zu massiven persönlichen Haftungsrisiken für das Management.

Diese Insolvenzantragspflicht wurde nun bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Die Aussetzung gilt allerdings nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf der Corona-Pandemie beruht oder keine Aussichten auf Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bestehen. War ein Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet (§ 1 S. 2 CoVInsAG), dass die eingetretene Insolvenzreife auf der Corona-Krise beruht und Aussicht auf die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht. An die Widerlegung dieser Vermutung sind laut Gesetzesbegründung „höchste“ Anforderungen zu stellen, um die Geschäftsleiter „effektiv“ von Prognoserisiken zu entlasten.

Weiterhin wurde durch das Gesetz unterbunden, dass Gläubiger (z.B. Krankenkassen, Finanzämter) einen Insolvenzantrag stellen. Diese Aussetzung der Gläubiger-Insolvenzantragsrechte gilt ebenfalls befristet für 3 Monate. Insolvenzanträge von Gläubigern zwischen dem 28. März 2020 und dem 28. Juni 2020 sind nur zulässig, wenn der Insolvenzgrund bereits am 1. März 2020 vorlag.

Diese Regelungen des CoVInsAG treten rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft, sind begrenzt auf den 30. September 2020 und können durch das BMJV bis zum 31. März 2021 verlängert werden.

Die Neuregelung verschafft Vorständen und Geschäftsführern betroffener Unternehmen einen zeitlichen Spielraum, die Situation, alle Optionen und die Überlebenschancen des Unternehmens eingehend zu prüfen. Die Strafbarkeits- und Haftungsrisiken sind freilich nicht einfach aus der Welt. Kommt es später doch zu einem Insolvenzantrag, wird der Insolvenzverwalter sehr genau prüfen, ob er die oben dargestellte gesetzliche Vermutung widerlegen kann.

 

Wir empfehlen daher die Auseinandersetzung mit den zwei zentralen Fragen:

1.  Ist die Krise (überwiegend) bedingt durch die Corona-Epidemie?

Um dies zu prüfen und (vor allem für eine spätere Überprüfung) zu dokumentieren, sollten die Unternehmensplanungen (vor allem die Liquiditätsplanungen) mit und ohne die Corona-bedingten Sondereffekte nebeneinandergelegt werden.

2.  Wie wahrscheinlich ist es, dass die Zahlungsfähigkeit erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt werden kann?

Diese Einschätzung kann nur und erst dann getroffen werden, wenn der Liquiditätsbedarf anhand der Unternehmensplanung (siehe 1) festgestellt wurde und anschließend alle vorhandenen Optionen zur Liquiditätssicherung (Stundungen, Darlehen etc.) konsequent verfolgt werden? Sollte sich herausstellen, dass der Liquiditätsbedarf nicht gedeckt werden kann, besteht Insolvenzantragspflicht!

 

Lockerung der Geschäftsführerhaftung

Im Gesellschaftsrecht sind weitreichende Zahlungsverbote für Geschäftsführer bei Eintritt der Insolvenzreife, d.h. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, geregelt (§ 64 GmbHG und gleichgelagerte Vorschriften zu anderen Rechtsformen). Der Verstoß gegen die Zahlungsverbote führt zu einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer bzw. Vorstände. Diese Haftungsansprüche sind für Insolvenzverwalter in der Beweislast günstig und daher für Geschäftsleiter in der Unternehmenskrise enorm haftungsträchtig.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird daher in § 2 Nr. 1 CoVInsAG konsequent flankiert von einer Lockerung der Zahlungsverbote: Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere Zahlungen zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder in Umsetzung eines Sanierungskonzepts, d.h. auch zur Neuausrichtung des Unternehmens im Rahmen einer Sanierung, fallen nicht mehr unter die sog. Zahlungsverbote. Die Lockerung der Geschäftsleiterhaftung gilt aber nur, wenn die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen.

 

Einschränkung der Insolvenzanfechtung

Bestimmte Rechtshandlungen, die bis spätestens 30. September 2020 vorgenommen werden, sind nicht gläubigerbenachteiligend und werden damit von der Insolvenzanfechtung ausgeschlossen (§ 2 Nr. 4 CoVInsAG). Neben den bereits beschriebenen Ausnahmen bei der Kreditierung sollen auch Erfüllungshandlungen des Schuldners (sog. kongruente Deckung) von einer zukünftigen Insolvenzanfechtung ausgeschlossen werden. Die Privilegierungen im Anfechtungsrecht reichen jedoch nur so weit, als dem potenziellen Anfechtungsgegner nicht positiv bekannt ist, dass die eingetretene Zahlungsunfähigkeit durch Sanierungsbemühungen des Schuldners nicht mehr beseitigt werden kann. Die Beweislast hierfür liegt beim Insolvenzverwalter.

Schließlich sieht das Gesetz unter gewissen Voraussetzungen die Begrenzung von Haftungsrisiken für Finanzierer sowie die Aufwertung von Gesellschafterdarlehen vor.

 

Autor: Rechtsanwalt Heiko Schaefer

Heiko SchaeferHeiko Schaefer ist seit über 20 Jahren im Bereich der Insolvenzverwaltung und Restrukturierung tätig. Er ist auf Betriebsfortführungen im Rahmen komplexer Insolvenzverfahren spezialisiert. Darüber hinaus berät er nationale und auch internationale Mandanten im Bereich Distressed M&A, bei Insolvenzen sowie im insolvenznahen Bereich. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Beratung von Unternehmensorganen in Eigenverwaltungsverfahren nach dem ESUG. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bei BBL Bernsau Brockdorff ist Heiko Schaefer gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Christian Heintze Herausgeber und Moderator des Podcasts restruct.law - Der Restrukturierungspodcast.

 

Bildnachweis: (© wetzkatz – stock.adobe.com)



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